2017 „EROS“ – Kyung-hwa Choi–ahoi, Bea Emsbach, Fabian Hesse, Jörg Länger, Julien Roux, Ransome Stanley, Cony Theis

Ausstellungsansicht

EROS
Kyung-hwa Choi-ahoi, Bea Emsbach, Fabian Hesse, Jörg Länger, Julien Roux, Ransome Stanley, Cony Theis
Eröffnung: Freitag, 8. September 2017, 18 bis 21 Uhr
Saisonstart der Galerien im Kontorhausviertel
Dauer der Ausstellung bis 8. Oktober 2017

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Was wäre diese Welt ohne Eros? In einer Zeit, in der pornographische Bilder für jeden jederzeit verfügbar sind, in der das Intime in den Medien und im Internet wie nie zuvor ausgebreitet und verhandelt wird, in der viele in allen möglichen Kanälen sich zur Schau stellen, ist das Thema in der Gegenwartskunst eine eigene Fragestellung und Herausforderung jenseits von Klischees. 7 Künstler stellen aus.

In Glasarbeiten –  1,60 m hohe Stelen, die frei im Raum stehen und an der Wand als Installation präsentierten Scheiben – greift Jörg Länger das Sujet auf. In den ausgestellten Arbeiten ist es das Licht und die Bild-Choreographie auf Glasplatten und der auf diesen collagierten Buntglas-Bruchstücken, das dem Thema feinsinnige Akzente gibt.  Länger verwendet antikes und mundgeblasenes Glas. Erotische Szenen nimmt er als Vorlagen, unter anderem von griechischen Vasen, die er teils als einzelnes Motiv großflächig in die Mitte stellt und kleinfigurig in mäandernder Form als Ornament über die Fläche wandern lässt. Die Bilder sind in das Glas teils gebrannt, teils sandgestrahlt. Jörg Länger, ursprünglich Berliner, auch den Geistes- und Religionswissenschaften, dem Film und der Fotografie zugewandt, lebt am Chiemsee.

Die Koreanerin Kyung-hwa Choi-ahoi, die nach ihrem Abschluss mit Auszeichnung an der HfbK in Hamburg geblieben ist und heute eine Professur für Zeichnen an der Hochschule der Künste in Bremen innehat, ist vor allem durch ihre fragilen, die soziale Alltagswirklichkeit und Traumsequenzen verarbeitende Tagebuch-Zeichnungen bekannt. Sie bleibt auch bei diesem Sujet in einer surrealen, das Unterbewusstsein ansprechenden Bildsprache. In den ausgestellten Arbeiten zeichnet sie mit Bleistift Details von Bildern des venezianischen Malers Paris Bordone ab. Auf einer anderen gezeigten Zeichnung mit Buntstiften sind die Köpfe eines sich küssenden Paares zu sehen, das im Zeichenblattuntergrund zu verschwinden scheint. Auf einer weiteren Zeichnung hält ein weiblicher stehender Akt mit einem Ball an der Schulter Abstand von einer Wand, in der sich das Gesicht eines Mannes schemenhaft verbirgt.

Kyung-hwa Choi-ahoi in der Ausstellung EROS, September 2017

Kyung-hwa Choi-ahoi in der Ausstellung EROS, September 2017

Ganz im Gegensatz stehen dazu die mit Filzstift auf dünnem Seidenpapier in einem Strich gezeichneten Paare im Liebesakt von Julien Roux. Der Künstler studierte an der École Nationale Supérieures des Beaux Arts Paris bei Annette Messager, schloss ebenfalls mit Auszeichnung ab und lebt und arbeitet seit Jahren in Tel Aviv. Kalligraphisch verkürzt verschmelzen in diesen Zeichnungen Oben und Unten, Innen und Außen, Geschlechtsteile und Glieder in immer neuen Posen.

Julien Roux in der Ausstellung EROS, September 2017

Julien Roux in der Ausstellung EROS, September 2017

Mit einer kräftigen Brise Humor geht die Kölnerin Cony Theis in den ausgestellten Zeichnungen (chinesische Tusche auf Transparentpapier) vor. Die Künstlerin, die sich unter anderem durch ihre Ausstellungen zum Thema Verbrechen, Opfer, Tätern, Schuld und Wahrheitsfindung einen Namen gemacht hat und seit 2013 eine Professur an der Hochschule der Künste im Sozialen in Ottersberg innehat, verwendet Bunny Aufnahmen aus alten Playboy Ausgaben. Es sind starke Frauentypen, die sich in ihrer individuellen Ausstrahlung von heutigen Bunnies deutlich unterscheiden und in den dargestellten Szenen vermuten lassen, dass Männer ihnen gerade erlegen sind. Die tatsächlichen Begebenheiten bleiben unklar, sei es, ob der Mann in Rückenansicht, der seinen Mantel öffnet, ein Exhibitionist ist oder warum auf einem anderen Blatt im Hintergrund ein Mann von Polizisten abgeführt wird. Immer dominieren die Frauen als strahlende Gestalten das Geschehen.

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Cony Theis in der Ausstellung EROS 2017

Der Deutsch-Nigerianer Ransome Stanley, der in den letzten Jahren immer mehr internationale Anerkennung bekommen hat, geht von Gustave Courbet’s Skandalbild von 1866 „Der Ursprung der Welt“ aus. Doch das, was das Skandalöse war, ist für ihn als Maler heute eher mit diesem Bild verbunden, als das dargestellte Sujet selbst. Es zeigt einen Frauenkörper in starker Untersicht mit der nackten, behaarten Vulva im Zentrum und mit Blick auf eine entblößte Brust. Daher malt Stanley Variationen des Bildes, die auf Courbets Vorlage rekurrieren, in denen aber nicht mehr die Nacktheit, sondern der Blickwinkel die Rolle spielt, mit dem eine ähnliche Aussage erzielt wird.

Für Bea Emsbach sind die mit einem Kolbenfüller und roter Tinte ausgeführten Zeichnungen zum Markenzeichen geworden. Eine Frau in Halbfigur widergegeben bietet ihre langen Haare an und sieht dabei eher fassungslos aus. In einer anderen Zeichnung rekurriert auch Emsbach auf das berühmte Gemälde von Courbet, auf der aber im Gegensatz zu Courbet auch das Gesicht der Frau in starker Untersicht gezeigt ist. Es prägt eine seltsam starre Mimik.  Weisen diese Zeichnungen eine lineare Strichgebung auf, erscheint auf einem weiteren ausgestellten Tintenaquarell das „Noli me tangere“ – Sujet in der Wildnis. Eine unbekleidete Frau, die wie in Emsbachs Serie „Die Anthropologin zuhause“ als Teil eines archaischen Volkes auftritt, breitet ein Laken vor ihrem Körper aus. Ein vor ihr kniender Mann berührt durch das Tuch ihren Körper. Emsbach befasst sich vielleicht am berührendsten mit der Ambivalenz des Themas Eros.

Bea Emsbach, Haar, 2002, Kolbenfüller_Rote Tinte auf Papier, 21x30 cm

Bea Emsbach, Haar, 2002, Kolbenfüller_Rote Tinte auf Papier, 21×30 cm

Der jüngste Künstler in der Gruppe, Fabian Hesse, ist in einer Gemeinschaftsarbeit mit der ebenfalls in München lebenden Künstlerin Mitra Wakil zu sehen. Titel des computermanipulierten Datensatzes und in 3 D in Lebensgröße ausgedruckt: „o.T. Kopf“. Er zeigt die Verschmelzung zweier liegender Köpfe, wobei aus der Hälfte des wunderschönen Frauenkopfes ein zartes Geflecht (von Gedanken?)  wabert.

Fabian Hesse (und Mitra Wakil), o.T. Kopf, 2017, PLA, 27,5x18,5x13,5 cm

Fabian Hesse (und Mitra Wakil), o.T. Kopf, 2017, PLA, 27,5×18,5×13,5 cm

 

What would the world be without eros?  In an age when pornographic images are readily availabe, when intimacy is broadcast and negotiated in the media and on the web, when many display themselves on all channels — that theme raises questions and poses challenges for contemporary art.  Seven artists respond.

Jörg Länger engages the theme in his glass works – freestanding and wall-mounted stele 1.6 meters tall.   He lends accents to a choreography of light and form by inserting colored fragments of both antique and hand-blown glass.  At times drawing on erotic scenes from Greek vases, his motifs appear large-scale and centered or meander as ornament in small figures across the stele. The images are in part burnt and in part sandblasted into the surface.  Originally from Berlin, where he also follows his interests in the humanities, religion, film and photography, Länger lives on Chiemsee.

After completing her studies with honors at the HfbK, the Korean  artist Kyung-hwa Choi-ahoi, remained in Hamburg and became known through her delicate diary drawings depicting social reality and dream sequences.   She approaches our theme with a surreal ductus addressing the subconscious.  Her exhibited works in pencil extract and elaborate on details from the Venetian painter Paris Bordone.  One drawing in colored pencil pictures a kissing pair, who seem to disappear into the paper, another poses a female nude with a ball on shoulder before a wall bearing the schematic portrait of a man. 

Julien Roux`s love-making pair executed win with single stroke of a felt-tip on tissue paper, presents quite a different picture.   The calligraphic concision of his drawings meld above and below, in and out, sex organs and limbs in ever new poses.  He studied with Annette Messager at École Nationale Supérieures des Beaux Arts Paris graduating with honors.  Tel Aviv is now his home. 

The drawings by the Cologne artist Cony Theis (Chinese ink on transparent paper) are infused with humour.  Extracting bunny images from old issues of Playboy, she presents them as strong feminine types.  Their individual aura clearly distinguishes them from contemporary bunnies, and in the exhibited scenes it seems men might easily succumb to these vintage women.  The actual details of encounters remain unclear, when e.g. a man shown from behind opens his coat.  An exhibitionist? And why, in another drawing, do police lead a man away?  The striking figures of women dominate the scenes.  The artist, who has made a name by thematizing crime, the perpetrators and their victims, guilt and finding the truth, has been a professor at the Hochschule der Künste im Sozialen in Ottersberg since 2013.

In a series of variations Ransome Stanley draws on Gustave Courbet’s scandal-provoking painting of 1866, „The Origin of the World“.  For the artist the scandalous lies more in the point of view than the subject itself.  The naked body of a woman seen from below, with a hairy vulva at center and a view to a bared breast interests the artist not so much as the perspective taken.

Bea Emsbach’s drawings done with piston fountain pen and red ink have become her calling cards.  In one presented drawing the figure of a woman depicted in half-length offers her long hair and appears bewildered.  In another modelled on the famous Courbet painting, Emsbach changes the view to show the woman’s face from below.  Her features are curiously transfixed.  These drawings are characterized by their linearity.  Quite different are her ink watercolors like „Noli me tangere“ – a subject in the wilderness. An unclothed woman appears as member of an archaic people as in Emsbachs series, „The lady anthropologist at Home“.   She spreads a sheet before her body.  A man kneeling before her touches her body through the sheet. Emsbach deals, perhaps most sensitively, with the ambivalence of the erotic.

The youngest artist, Fabian Hesse, is represented by a collaborative work done with another Munich artist, Mita Wakil.  The title of the work done as a computer manipulated data set printed in life-size 3D: „untitled. Head“.  In it one sees two merged heads, whereby from one half of beautiful woman’s head a delicate weave (of thoughts?) wafts outward.