2025 „Blue Books Portrait“

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Die Werke der Kölner Künstlerin Cony Theis, bis vor kurzem Professorin für Bildende Kunst an der HKS Ottersberg, zeigen in dieser Ausstellung ein weiteres Mal Überlegungen zum Thema Identität und Porträt, die sich facettenreich und immer wieder neu durch ihr gesamtes Werk ziehen.

Die Serie Blue, mehrere Eisenblaudruckarbeiten (Cyanotypie, je 42 x 56 cm) und eine monumentale Vergrößerung einer solchen (350 X 500 cm) bildet schemenhafte Gestalten ab. Sie scheinen frei durch einen Raum zu schweben. Die Farbe des Blaudrucks lässt an Wasser denken, steht aber auch im Gegensatz zu den Farben rot, grün, etc. für Spiritualität, für Ferne und Sehnsucht. Es handelt sich um Personen aus dem Umfeld der Künstlerin. Zarte, geschwungene, gerollte und verdrehte Linien verlaufen offenbar ziellos vom Kopf aus in den Äther und scheinen sich zu verselbständigen. Damit zeigt sich zu ihrem Thema Porträt und Identität ein weiterer Aspekt, nämlich den der Projektion einer Person, die nicht nur die reale Erscheinung in Form eines fotografischen Abdrucks festzuhalten versucht, sondern performativ anmutend, ihre Gedanken, wie sich diese im Kopf lösen oder in ihn eindringen. Es ist im Wesentlichen ein abstrakter, nicht abbildbarer Vorgang, dem sich Cony Theis ganzheitlicher nicht nur durch die Farbe Blau, sondern durch das Schattenhafte, Multiple und Verunklärte der abgebildeten Person sowie des Raumes zu nähern versucht. So kommt sie mehr der Inszenierung einer Erinnerung, die ja ebenfalls abstrakt ist, nahe, als einer realen Situation. Die Künstlerin verwendet hier ein altes fotografisches Edeldruckverfahren mit Blautönen. Die Belichtung des lichtempfindlich gemachten Trägers erfolgt unter arrangierten schattenwerfenden Gegenständen und Personen als Fotogramm bzw einem Kontakt-Negativ, das mit Sonnenlicht beleuchtet wurde.

In einer ganz anderen Form entfaltet sich das Thema Porträt und Identität in ihrer Serie Books. Es sind Aquarelle mit chinesischer Tusche von Buchcovern. Es handelt sich in dem Projekt um den Bestand der Bücher aus der Bibliothek des Filmemachers Jürgen Heiter, an dessen Filmen sie seit vielen Jahren als künstlerische Mitarbeiterin beteiligt ist – durch nur vier Titel aus ihrem eigenen Bestand ergänzt. Die Titelbilder der vielen berühmten und bekannten Autoren – es sind bisher 84 Titel, zum Teil in verschiedenen Versionen wiedergegeben – malt sie nicht einfach nur ab, sondern durchdringt sie künstlerisch weiter. Das Cover von Peter Handkes „Die Lehre der Sainte-Victoire“ zum Beispiel gibt sie in zwei Versionen wieder, die erste mit einer zwar malerisch bewegten, aber gut leserlichen Titelei, mit dem Gemälde des Sainte-Victoire von Cézanne darunter sowie und der Zeile der Verlagsnennung, dies jedoch mit nur dem Anfangs und Endbuchstaben von ihr angedeutet. In der zweiten Version ist wie in einem Abklatschverfahren die erste Version nur mehr verwischt erkennbar, mit verblassten Farben, die Schrift kaum mehr leserlich. Am ehesten ist noch das Bild zu identifizieren. Im Hinblick auf die mehr als 60 Versionen Cézannes des Sainte-Victoire und seine berühmten Worte „Ich male nicht einfach, wie ich sehe, ich male wie ich fühle“ ist man versucht Cony Theis Versionen genau darauf zu beziehen. Entsprechend sind die Blätter aus der Serie Booksnicht nur aufschlussreich für die Interessen und das Profil Heiters, sondern insbesondere auch die Durchdringung der Themen, die die Bücher behandeln, durch die Künstlerin. In ihrer ganz persönlichen Verbildlichung, nicht immer in mehreren Versionen wie Handkes Sainte-Victoire, haucht sie den Covern ein eigenes Leben ein und führt sie aus der starren Wiedergabe einer Fotografie heraus in einen lebendigen Dialog mit den Autoren, ja den Büchern selbst.

Auf der Empore reiht sich eine andere Gruppe von Arbeiten, ebenfalls Aquarelle mit chinesischer Tusche auf Papier, die Porträts von Personen zeigen, die mit Film zu tun haben und die im Gegensatz zu den Books und Blues wie Filmstills wirken. Sie zeigen bekannte Persönlichkeiten, wie zum Beispiel den Schauspieler Udo Kier neben dem amerikanischen Künstler Raymond Pettibon, aber auch Einzelporträts wie das der Hamburger Prostituierten Domenica. Es kommen Aquarelle von Tieren vor, allesamt Stars wie der Affe Coco in den Armen von Tarzan und Jane, oder Ham, der in den Weltraum geflogen ist. An der Stirnwand der Empore ist eine Fotografie in diese Serie integriert, die die Künstlerin selbst lesend abbildet, in der Hand das geöffnete Buch Essays von dem Musiker und Komponisten Morton Feldmann, auf dem Cover ein Bild von Philip Guston. Vor ihr steht ein Stück Kuchen mit Sahne, die sie sich dick, korrekt und gleichförmig auf Ihre Lesebrille aufgetragen hat. Ein humorvoller Hinweis, dass Musik sich sowieso nicht in Worte fassen lässt? Kaleidoskopartig breitet die Künstlerin in dieser Weise in der Ausstellung ein weiteres Mal ihren Künstlerkosmos aus, in dem sie in die unterschiedlichsten Dialoge tritt.

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The works of Cologne-based artist Cony Theis, until recently a professor of fine arts at the Ottersberg Art Academy, present in this exhibition once again her reflections on the themes of identity and portraiture, which are multifaceted and constantly renewed throughout her entire oeuvre.

The Blue series, consisting of several iron blue prints (cyanotype, each 42 x 56 cm) and a monumental enlargement of one (350 x 500 cm), depicts shadowy figures. They appear to float freely through a space. The color of the blue print evokes water, but also, in contrast to the colors red, green, etc., represents spirituality, distance, and longing. These are people from the artist’s circle. Delicate, curved, curled, and twisted lines seemingly flow aimlessly from the head into the ether and seem to take on a life of their own. This reveals a further aspect of her themes of portraiture and identity: the projection of a person who not only attempts to capture their real appearance in the form of a photographic impression, but also, in a seemingly performative manner, their thoughts as they dissolve or penetrate the mind. It is essentially an abstract, unrepresentable process that Cony Theis attempts to approach more holistically, not only through the color blue, but also through the shadowy, multiple, and obscured nature of the person depicted and the space. In this way, she comes closer to staging a memory, which is itself abstract, than to a real situation. The artist uses an old photographic fine art printing process with blue tones. The light-sensitive support is exposed under arranged shadow-casting objects and people as a photogram or a contact negative illuminated by sunlight.

The themes of portraiture and identity unfold in a completely different form in her series Books. These are watercolors of book covers painted with Chinese ink. The project focuses on the books in the library of filmmaker Jürgen Heiter, on whose films she has been an artistic collaborator for many years – supplemented by just four titles from her own collection. She doesn’t simply copy the cover images of many famous and well-known authors – 84 titles to date, some reproduced in different versions – but rather infuses them with artistic inspiration. The cover of Peter Handke’s „The Lesson of Sainte-Victoire,“ for example, is reproduced in two versions: the first with a painterly, yet legible title page, with Cézanne’s painting of Sainte-Victoire below, as well as the publisher’s name, indicated, however, with only the initial and final letters. In the second version, the first version is only vaguely recognizable, as if in a copy, with faded colors and the writing barely legible. The image is the easiest to identify. In view of Cézanne’s more than 60 versions of Sainte-Victoire and his famous words „I don’t simply paint as I see, I paint as I feel,“ one is tempted to relate Cony Thei’s versions precisely to these. Accordingly, the sheets from the Books series are not only revealing of Heiter’s interests and profile, but also, in particular, of the artist’s penetration of the themes dealt with in the books. In her very personal visualization, not always in multiple versions like Handke’s Sainte-Victoire, she breathes life into the covers, leading them beyond the rigid reproduction of a photograph into a lively dialogue with the authors, indeed the books themselves.

On the gallery is another group of works, also watercolors with Chinese ink on paper, depicting portraits of people involved in film, which, in contrast to Books and Blues, appear like film stills. They depict well-known personalities, such as the actor Udo Kier next to the American artist Raymond Pettibon, but also individual portraits, such as that of the Hamburg prostitute Domenica. There are watercolors of animals, all of them stars, such as the monkey Coco in the arms of Tarzan and Jane, or Ham, who has flown into space. On the end wall of the gallery, a photograph is integrated into this series, depicting the artist herself reading, holding the open book Essays by the musician and composer Morton Feldmann, with a picture of Philip Guston on the cover. In front of her is a piece of cake with cream, which she has spread thickly, accurately, and evenly on her reading glasses. A humorous reminder that music cannot be put into words anyway? In this kaleidoscopic manner, the artist once again expands her artistic cosmos in the exhibition, entering into a wide variety of dialogues.